Kompass im Verordnungsdschungel

Für RLT-Anlagen hat sich zum Jahreswechsel einiges verändert. Es betrifft die Auslegung und den Betrieb der Geräte. Aber auch das gesamte Lüftungssystem müssen Fachplaner oder Anlagenbauer im Auge behalten. Geht es um Hygiene und Wartung, kommt es außerdem auf den Betreiber an. Wir haben uns in den Dschungel aus über 300 Direktiven gestürzt und wichtige Neuerungen freigelegt.

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Allein schon die Zahl ist überwältigend, wenn nicht sogar erschreckend: Über 300 technische Regeln mit 700 Teilen beschäftigen die Kälte-, Klima- und Lüftungstechnik aktuell. Das analysierte eine renommierte Fachzeitung in ihrem Branchenticker Ende letzten Jahres. Wer dies liest und selbst betroffen ist, kann ob dieser Flut an Information schnell Schweißausbrüche bekommen. Und aus Brüssel kommen immer neue EU-Verordnungen hinzu, beziehungsweise ändern sich gewohnte Normen und Richtlinien ständig. Darum ist es nicht einfach, in diesem Verordnungsdschungel den Durchblick zu behalten. Trotzdem muss man auf dem Laufenden sein. Denn jede Verordnung hat Gesetzescharakter, ist also Pflicht und vom Betroffenen anzuwenden. Normen und Richtlinien sind hingegen als Orientierungshilfen zu werten, deren Inhalte allerdings von großer Bedeutung sind. Besonders, wenn es zu Streitfällen kommt, wird sich gerne darauf berufen. Bezieht sich gar ein Gesetz auf eine Norm, eine Richtlinie oder eine technische Regel, dann werden diese bindend.

Immer am Ball bleiben
Wenngleich diese Zusammenfassung etwas vereinfacht, so werden zwei Fakten für Sie dennoch deutlich:

  1. Für die technische Planung und den Anlagenbau ist es wichtig, möglichst auf dem Laufenden zu sein. Denn nur dann wird eine Ausführung dem ‚Stand der Technik‘ genügen und im besten Fall sogar für Nachhaltigkeit sorgen.
  2. Sind ein Klima- oder RLT-Gerät, eine Kälteanlage oder ein komplettes Lüftungssystem einmal installiert, dann ist noch lange nicht Schluss. Denn vor allem Betrieb und Wartung zeigen, wie effizient, sparsam und hygienisch ein Klimazentralgerät überhaupt arbeitet.


Und weil der Wandel im Verordnungsdschungel das einzig Beständige ist, möchten wir Sie auf einige Neuerungen dieses Jahres aufmerksam machen, die RLT-Geräte und Anlagen betreffen.

Ökodesign zieht an
Da wäre zunächst die europäische Ökodesign-Richtlinie 2009/125/EG. Sie kennen deren Umsetzung von den Energielabeln, die beispielweise auf Elektrogeräten, Kühlschränken oder Leuchtmitteln zu finden sind. „Ziel der Ökodesign-Richtlinie ist, die Umweltwirkungen von energieverbrauchsrelevanten Produkten unter Berücksichtigung des gesamten Lebensweges zu mindern. Dazu legt sie Anforderungen an das Produktdesign fest. Das Energieverbrauchsrelevante-Produkte-Gesetz (EVPG) setzt die Richtlinie in deutsches Recht um.“ So klärt uns das Umweltbundesamt auf seiner Internetseite auf. Zu diesem EVPG existieren inzwischen weit mehr als 20 verschiedene Durchführungsverordnungen für Lampen, Elektromotoren, Ventilatoren, Haushaltswäschetrockner Heizkessel…und mit der EU-Verordnung 1253/2014 auch für Lüftungsgeräte. Darin geregelt sind Nichtwohnraumlüftungsanlagen (NWLA) mit einer Nennluftleistung größer 250 m³/h. Für alle Geräte, die nicht eindeutig in die Kategorie der ‚Ausnahmeregelungen‘ fallen, gelten seit dem 1. Januar 2018 schärfere Forderungen. Falls Zweifel bestehen, hilft ein Entscheidungsbaum auf Seite 55 dieses aktuellen Leitfadens des Verbandes EVIA (European Ventilation Industry Association). Ab sofort muss die Wärmerückgewinnung des Lüftungsgeräts bei angehobenen Rückwärmezahlen je nach Technologie (Rotor, Platte, Kreislaufverbund) noch mehr leisten. Die zweite wichtige Neuerung fordert ab sofort effizientere Ventilatoren. Deren SFP-Wert (spezifische Ventilatorleistung) steigt um durchschnittlich 20 bis 25%. Das heißt, die maximal zulässige ‚innere spezifische Ventilatorleistung‘ muss besser werden. Tatsächlich sind in der Verordnung viele Details, Berechnungsformeln oder Ausnahmen zu finden. Das Resultat führt in der Umsetzung aber dazu, dass auf die Gerätedichtheit noch mehr Wert gelegt wird. Außerdem sinken Druckverluste sowie Durchtrittsgeschwindigkeiten. Darum werden RLT-Geräte größer und teurer.

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Für RLT-Geräte kommt es heute besonders auf die Energieeffizienz an.
(Abb.: 2C content+communication)

Konsequenz für Planer, Anlagenbauer und Betreiber: Für eine konforme RLT-Geräteauslegung sollte schon dem Planer die Anwendung genau bekannt sein. Immer häufiger wird sich der Aufstellungsort von innen in den Außenbereich oder auf Dachflächen verlagern. Und Investitionen in RLT-Geräte steigen um bis zu 12%, wohingegen die Betriebskosten sinken.

Energetische Bewertung von Gebäuden
Eine andere wichtige Veränderung, die aus Brüssel kommt, definiert die Grundlagen und Rahmenbedingungen für Kälte-, Klima- und Lüftungsanlagen neu. Und aufgepasst: Denn bei der DIN EN 16789 handelt es sich gleich um eine ganz Normenreihe! Übergeordnet geht es um die ‚Energetische Bewertung von Gebäuden - Lüftung von Gebäuden‘ mit dem Ziel, bisherige technische Regeln zu bereinigen und neu zu gliedern. So entstand auf europäischer Ebene ein Werk bestehend aus 9 Normen und 9 zugehörigen technischen Regeln, das die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden speziell mit Lüftungs- und Klimaanlagen im Auge behält. Seit einiger Zeit erscheinen übrigens immer mehr DIN EN-Normen, die aus zwei Teilen bestehen: Einem normativen und einem informativen Teil, der als eigenständiger technischer Report oft nur in englischer Sprache veröffentlicht wird. Für die Anwender der Norm sind technische Reports aber sehr wichtig. Sie sollten diese daher immer mitbeziehen. Welche Inhalte in die Norm und welche in den technischen Report kommen, entscheidet am Ende ein Normungsgremium.

Nach teils langem und zähem Ringen um die DIN EN 16789 wurden aber unlängst die Weißdrucke der Teile 3, 5, 7, 9, 13, 15 und 17 sowie die zugehörigen technischen Reports (Teile 4, 6, 8, 10, 14, 16 und 18) freigegeben. Es fehlt noch Teil 1 ‚Eingangsparameter für das Raumklima‘ (Nachfolgenorm zur DIN EN 15251) für den Anfang 2018 ein europäischer Normenentwurf erwartet wird. Der Weißdruck von Teil 11 ‚Berechnung der Norm-Kühllast‘ ist hingegen auf der Zielgeraden. Im gleichen Zug mit den Freigaben wurden die folgenden Normen zurückgezogen: DIN EN 13779, DIN EN 15239, DIN EN 15240, DIN EN 15241, DIN EN 15242 und DIN EN 15243.
 

Standard/ TRAlte NummerInhalt

EN 16798-1
TR 16798-2
DIN EN 15251Innenraumklimabedingungen und Nutzungsprofile
DIN EN 16798-3
CEN TR 16798-4
DIN EN 13779Anforderungen an die Leistung von Lüftungs- und
Klimaanlagen und Raumkühlsystemen
DIN EN 16798-5
CEN TR 16798-6
DIN EN 15241Energieberechnungen für Lüftungssysteme
DIN EN 16798-7
CEN TR 16798-8
DIN EN 15242Berechnungsmethoden zur Bestimmung der
Luftvolumenströme in Gebäuden inklusive Infiltration
DIN EN 16798-9
CEN TR 16798-10

DIN EN 15243
(Teile)

Berechnungsmethoden für energetische Anforderungen
von Kühlsystemen
DIN EN 16798-11
CEN TR 16798-12
DIN EN 15243
(Teile)
Lastberechnungen
DIN EN 16798-13
CEN TR 16798-14
DIN EN 15243
(Teile)
Berechnungsmethoden für Kälteanlagen
DIN EN 16798-15
CEN TR 16798-16
DIN EN 15243
(Teile)
Berechnungsmethoden für den Energiebedarf von
Kälteanlagen – Speicherung
DIN EN 16798-17
CEN TR 16798-18
DIN EN 15239Leitlinien für die Inspektion von Lüftungsanlagen

(Quelle: cci Schulung „Diese Normen und Richtlinien verändern die LüKK“)

Konsequenz für Planer, Anlagenbauer und Betreiber: Für RLT-Geräte und Anlagen sind besonders die Teile 1, 3 und 17 sehr wichtig. Teil 1 ist eine neu strukturierte Weiterentwicklung der DIN EN 15251 über ‚Eingangsparameter für das Raumklima‘. Er wird direkte Auswirkungen auf den Planungsprozess von Lüftungsanlagen haben, da die Außenluftvolumenströme in Teil 3 der DIN EN 16798 nicht mehr enthalten sind. Hinzu kommt ein Teil 2 als technischer Report. Darin stehen zum Beispiel auch die künftigen Auslegungskriterien zur Dimensionierung von personen- und flächenbezogenen Außenluftvolumenströmen.

Weiterhin besteht die DIN EN 13779 ‚Lüftung von Nichtwohngebäude‘ nicht weiter. Sie ist jetzt aufgeteilt in den normativen Teil 3 der EN 16798 und einen informativen Teil 4. Beides zusammen wird eine wesentliche Grundlagennorm zur Planung und Ausführung von Lüftungs- und Klimaanlagen darstellen.

Teil 17 handelt schließlich von ‚Inspektionen für die Bereiche Kühlung, Lüftung, Be- und Entfeuchtung‘. Er ist eine erweiterte und überarbeitete Zusammenfassung aus den bisherigen Normen DIN EN 15239 (Energetische Inspektionen von Lüftungsanlagen) und DIN EN 15240 (Energetische Inspektion von Klimaanlagen), in die auch Aspekte der DIN SPEC 15240 zur ‚Energetischen Inspektion von Gebäuden‘ eingeflossen sind. Wichtig für Betreiber: Die energetische Inspektion von Klimaanlagen gemäß Energieeinsparverordnung (EnEV) ist zwar Pflicht. Zahlreiche Anlagen sind aber seit Jahren in Verzug und sollten umgehend gewartet werden. (siehe ‚Zum Hintergrund‘ am Ende des Blogs)

Und immer schön sauber bleiben
Last but not least geht es um Luftfilter und Hygiene. Durch die Umsetzung der seit Januar 2018 gültigen neuen RLT-Hygienerichtlinie VDI 6022 Blatt 1 ‚Hygieneanforderungen an RLT-Anlagen und Geräte‘ und der Luftfilternorm DIN EN ISO 16890 ‚Luftfilter für die allgemeine Raumlufttechnik‘, aber ebenfalls durch den noch kommenden Entwurf des nationalen Anhangs zur vorher genannten DIN EN 16798 Teil 3 und wegen neuer WHO-Grenzwerte zu Außenluftqualitäten befindet sich der Markt für Luftfilter gerade in einer Neuorientierung. So wird die bisherige DIN EN 779 durch die DIN EN ISO 16890 abgelöst. Im Juni 2018 endet für diese beiden eine Übergangsfrist. Damit fallen die bekannten Filterklassen M und F weg. Sie werden durch neue Bezeichnungen ISO ePM ersetzt, die Filterklassen auf Basis von Abscheidungen von Partikeln der Größen 1 µm (PM1), 2,5 µm (PM2,5) und 10 µm (PM10) festlegt. Zur Orientierung, welche neue Filterklasse ISO ePM etwa einer bisherigen M- oder F-Klasse entspricht, haben Branchenverbände eine Übersetzungstabelle erstellt (siehe unten). Übrigens: Während die neue DIN EN 16798 Teil 3 noch weiterhin mit M- und F-Filterklassen arbeitet, berücksichtigt die neue VDI 6022 Blatt 1 bereits diese ISO ePM-Klassen.

Filterklasse nach
EN 779EN ISO 16890
G2ISO coarse ≥ 30%
G3ISO coarse ≥ 45%
G4ISO coarse ≥ 60%
M5 ePM10 ≥ 50%
M6 ePM2,5 ≥ 50%
F7 ePM1 ≥ 50%
F8 ePM1 ≥ 70%
F9ePM1 ≥ 80%

Übersetzungstabelle der Filterklassen (Quelle: Fachverband Gebäude-Klima (FGK) und der europäische Verband EVIA)


Konsequenz für Planer, Anlagenbauer und Betreiber: Durch die Neufassung der DIN EN 16798 Teil 3 und die RLT-Hygienerichtlinie VDI 6022, auch in Verbindung mit der neuen Luftfilternorm DIN EN ISO 16890, kommen bei der Projektierung von RLT-Anlagen und deren Betrieb neue Herausforderungen auf Fachplaner, Anlagenerrichter und Betreiber zu. Die DIN EN ISO 16890 ist eine ‚klassische‘ Produkt-Prüfnorm und enthält umfangreiche, detaillierte Verfahren und Vorschriften zur Ermittlung der wichtigsten Kenndaten von Luftfiltern der Größe 610 x 610 mm für RLT-Anlagen und Geräte. Für diese ist wiederum die VDI 6022 die wichtigste technische Regel unter Hygieneaspekten. Sie definiert Anforderungen an deren Planung, Errichtung und den Betrieb. Wesentliche Neuheiten von Blatt 1 sind
 

  • die Integration der bisherigen Beiblätter 1.1 (Prüfung von RLT-Anlagen), 1.2 (erdverlegte Komponenten) und 1.3 (Sauberkeit von luftführenden Oberflächen),
  • die Definition von Zuluftqualitätsklassen (bisher: Raumluftqualität)
  • die Pflicht zur Messung der Zuluftqualität und der Vergleich mit der Qualität der Außenluft
  • die Neufassung der Tabelle zur Luftfiltration in Abhängigkeit von der Zuluft- (ZUL) und der Außenluftqualität (Luftfilterklassen ISOePM auf Basis der DIN EN ISO 16890)
  • die Einführung einer Gefährdungsbeurteilung, die ein Betreiber unter anderem für Personen erstellen muss, die mit Zuluft seiner RLT-Anlage in Berührung kommen.



Ihr Helfer im Verordnungsdschungel
Mit welchen Neuheiten oder Änderungen Sie im Verordnungsdschungel auch konfrontiert sind: Immer geht es im Betriebsfall um Nachweis und Dokumentation vorgegebener Werte. Damit einhergehende Messungen oder Prüfungen von Differenzdrücken, Feuchtigkeit, Volumenströmen, Kühl-/oder Heizleistungen, CO2-Werten oder Temperaturen werden auch zur Inbetriebnahme, oder für Wartung, Service und Dokumentation mit dem neuen Klima-Messgerät testo 440 mit Bluetooth zum Kinderspiel. Damit haben Sie sämtliche Messaufgaben an Klima- und Lüftungsanlagen sicher und zuverlässig unter Kontrolle.

Zum Hintergrund: Energetische Inspektion von Klimaanlagen


In der Energieeinsparverordnung (EnEV) 2007 wurde im § 12 die Pflicht zu energetischen Inspektionen an bestehenden Klimaanlagen mit Kälteleistungen über 12 kW eingeführt. Allerdings sind in der EnEV die bei energetischen Inspektionen auszuführenden Aufgaben wenig konkret beschrieben. Dadurch gab es seit deren Inkrafttreten bei Anlagenbetreibern und Anbietern von energetischen Inspektionen Unsicherheiten und Interpretationsspielräume, wie Inspektionen und welche Prüfungen und Tätigkeiten dazu (mindestens) auszuführen sind. Diese Lücke schloss im Oktober 2013 die DIN SPEC 15240. Sie enthält Checklisten sowie umfangreiche, spezifizierte Aussagen und Anforderungsprofile zur Durchführung energetischer Inspektionen. Es geht besonders um qualitative und quantitative Beurteilungen der gesamten Klimaanlage (inklusive RLT-Gerät mit Ventilatoren, Wärmerückgewinnung, Luftkanalnetz, Kälteerzeugung und -verteilung mit Rückkühlung), aber auch von Gebäude-, Nutzungs- und Betriebsparametern (Bauphysik, Verglasung/Verschattung, Kühllasten, Luftvolumenströme, Temperaturen, Feuchten). Aus diesen Daten resultieren Empfehlungen an den Betreiber zu energetischen Verbesserungen an der Klimaanlage selbst und für die Betriebsweise. Die DIN SPEC 15240 ist bislang die wichtigste technische Regel zur Durchführung von energetischen Inspektionen an Klimaanlagen.

22. Februar 2018
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Klima-Messgerät testo 440

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